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Verrückte Hunde / POLAR DISTANS 2004

 

Der Trainingsauftakt im Spätsommer 03 mußte aufgrund der hochsommerlichen Temperaturen ständig verschoben werden. Schwimmen und allabendliche Fangspiele waren die einzige Alternative. Zum Glück hatten die Hunde, wie unser ältester Sohn Sebastian der auch das Training koordiniert feststellte, noch viel Substanz der Vor-

Saison kompensiert. Im Frühjahr 2003 konnten wir aufgrund der winterlichen Temperaturen bis Ende April trainieren. Bis zu den ersten Schneefällen im heimischen Fichtelgebirge Mitte Dezember waren ca. 700 Wagen -u. 200 Bike Kilometer gelaufen. Wobei ich einfügen muß, daß weniger die Anzahl der Kilometer, sondern die Zeit in der diese zurückgelegt werden für uns von entscheidender Bedeutung ist. Wir trainieren unser Team mit hoher Zuglast d.h. entsprechend langsam. Galopp ist beim Wagentraining eine unseren Hunden fremde Gangart! Bis Mitte Januar addierten sich, einschließlich der beiden Long Journey Rennen am Reschenpaß und Brotterode, sowie dem einwöchigen Trainingslager in Haidmühle, nochmal etwa 300 Schneekilometer hinzu.

Jetzt begann mit der FISTC Longtrail EM, dem Sedivackuv Longtrail in Tschechien, unsere eigentliche Rennsaison. (Über dieses außerordentlich schöne Rennen werde ich noch gesondert berichten) Nach 237 Km finishten wir mit dem kleinsten Gespann, unserer 2-er Pulka, in der achtschnellsten Gesamtzeit aller 20 gewerteten Teams. Leider war ich der einzige Pulka-Longtrail Teilnehmer, wertbare Starterfelder sind in dieser Leistungsklasse (J Schinderklasse J ) leider ausgestorben. Deshalb der Vergleich mit den Rennzeiten in der Gesamtwertung.

Nach dieser harten Meisterschaft und kaum einer Woche "Pause!",in der wir noch 2 kürzere Schlitteneinheiten trainierten, verblüfften uns unsere Hunde in diesem vergangenen Winter das erstemal. Statt eines erwarteten, nach einem harten Longtrail mit schwerer Pulkaausrüstung, dosierten eher gemächlichen Rennbeginns starteten unsere beiden Malamuten Mädels vehement. Erreichten nach 100 Km , in einem von Siberian Husky Teams dominierten Starterfeld, einen nie erwarteten 3.Platz bei der Deutschen Distanz Meisterschaft in Schöneck. Leider grassierte der Zwingerhustenvirus auf diesem Stake-Out Platz, betroffene Teilnehmer reisten trotz eindeutiger Symptome verspätet ab. Die Rennleitung unterließ eine offene und schnelle Information der anderen Rennteilnehmer. Auch unser Team wurde infiziert und schweren Herzens mußte die Distanz EM in Schweden abgesagt werden.

Als Wermutstropfen blieb die Trans Thüringia, nach 1,5 Wochen Pause waren die Hunde wieder fit. Nach einer gelungenen TT mit letztendlich dennoch 180 Km Länge und einem tollen Siegerpokal in Händen (hierbei nochmals Dank und Anerkennung dem Organisationsteam, die professionell in kürzester Zeit ein Langstreckenrennen durchführten) reisten wir am 19.Februar zur Akklimatisierung und Vorbereitung zum Polar Distans 2004 nach Schweden. Aufgrund unserer letztjährigen Erfahrungen und daraus resultierender Checklisten, gestaltete sich die Zusammenstellung und Verladung der gesamten Ausrüstung für 3,5 Wochen Aufenthalt in Schweden weit weniger aufregend als im Vorjahr. Sebastian war während der "hundefreien Zeit" im Sommer überaus fleißig und hatte das Gebiet um Särna digitalsiert und abgespeichert, fertig um in kürzester Zeit zusammen mit einer neu entwickelten Garmin GPS Software verschiedene Trails zu programmieren. Ein Navigationsfehler, verbunden mit einer Kraft raubenden Zusatzschleife wie im Vorjahr sollte unter allen Umständen vermieden werden.

Sonne, tiefblauer Himmel und arktische Temperaturen um 30° Minus begrüßten uns in Särna. Leider lag weniger Schnee als 2003, daraus resultierten kurze harte und eisige Skidoo-Wellen mit langen Furchen, während unseres gesamten Aufenthalts. Die Hunde hoben die Pfoten und wollten anfänglich nicht am Stake-Out bleiben. Moritz, mit 8 Jahren unser Jüngster, leistete in seiner zeitlich begrenzten Ferienwoche sehr gute Trainingsarbeit. Täglich stand er auf seinem Tobboggan und fuhr mit dem Team 240km, einschließlich einer 90km 2Tagesetappe mit Übernachtung im Fjäll. Zur Lockerung der Muskulatur und dem Erhalt des Spaßfaktors bei den Hunden, lief ich noch etwa 100Km Skijöring, hauptsächlich mit meinem 2-er PD Rennteam. Am 6.März stießen meine dog-handler Marie de Waele und Sebastian, schwer beladen mit Futter und diversen Schlittenkufen, zum Team. Sofort!! Nach 24 stündiger Non Stop Anreise wurde der beschädigte Tobboggan von Hendrik Stachnau zerlegt und mit neuen verstärkten Kufen wieder aufgebaut. Auch die Kufenenden meiner großen Tourenpulka waren, als Resultat der harten Skidoo-Wellen, gebrochen und wurden durch Neue, die Sebastian kurz vor der Abreise noch selbst laminierte, ersetzt. Die Hunde standen jetzt 3 Tage vor dem Start um die angegriffenen Energiespeicher wieder zu füllen. Während der gesamten Vorbereitung hatte ich die Pfoten akribisch kontrolliert, der scharfe harschige Schnee hatte keinerlei Spuren hinterlassen. Prophylaktisches booten und salben ist unserer Meinung nach kontraproduktiv und bildet keine harten Ballen.

2004 hatten 28 Teams zum Polar Distans gemeldet, 2 weitere für die Halbdistanz. Auch eine ganze Schar deutscher Musher folgte der Herausforderung u.a. Ingo Stollenwerk (Open Sieger 2002), H.W. Schwegel (einer unserer erfahrensten Langstreckler) der mit Hendrik Stachnau bereits 2003 finishte, als Rookies waren H.J. Ebert, Rainer Galm, Frank Gemeinhardt und Raphael Schröck (Pulka Distanz Europameister 2004), am Start.

Die Betriebsamkeit und der Pulsschlag steigern sich erfahrungsgemäß 2 Tage vor dem Start, mit Beginn des Probepacken des Schlittens. Am Rennmodus hatte sich nichts geändert, die gesamte Ausrüstung für ca.320 Km mußte incl. Notausrüstung komplett für die gesamte Renndistanz im Schlittensack mitgeführt werden. Wasser ist nur an den Kontrollpunkten ( Check Points), 5 an der Zahl, erhältlich. Jegliche fremde Hilfe führt zur Disqualifikation. Als besonders hilfreich gegenüber den Rennen der Vorjahre ist die Ausgabe einer Karte mit Koordinatengitter zu sehen. Der Trailverlauf wurde im großen Meeting am 08.März bekannt gegeben. Drei Schleifen um Särna waren zu bewältigen, die erste für alle gleich endete mit einem 6 Std. Pflichtstop im CP 2 Off Road. Die beiden anderen Runden (Fjäll oder Höktanden) konnten wahlweise nacheinander gefahren werden. Traditionsgemäß starten die Pulkateams (2004, 8 an der Zahl) einen Tag vor den Schlittenfahrern allesamt im Massenstart!! Der Wetterbericht versprach stabile Bedingungen, -5 Grad, leichte bis mittlere Bewölkung und Wind. Allerdings sind rasante Wetterwechsel in dieser Region keine Seltenheit. Deshalb hatten wir für alle Widrigkeiten Ausrüstung und Kleidung geladen, insgesamt wog die Pulka trocken ca. 50Kg.

09.03.2004, 09.00 Uhr Die Startflagge fällt, um jeglichen heiklen Situationen des Massenstartes zu entgehen, versuchen wir uns sofort vor das Feld zu setzen. Wie gedankenübertragen werfen sich Anouk und Akana in die Geschirre, Malamuten Drehmoment! Rasend gewinnen wir Geschwindigkeit, ich habe Mühe auf dem Eis des Särna See den nötigen Grip für die Skier zu finden. In kürzester Zeit erfahren wir 200m Vorsprung und mehr, Jörg Wagner hat diesen Powerstart in Wort und Bild dokumentiert, zu sehen auf unserer Website.

Bei Rennkilometer 18 das erste Hindernis ein Holzvollernter versperrt den hier aufgewühlten Trail. Unendlich lange Minuten bis es weiter geht, Raphael Schröck und Inge Eklund schließen wieder auf, dahin der mühsam erarbeitete Vorsprung. Bei Kilometer 25 zieht Schröck nach mehreren Fehlanläufen vorbei, doch kaum einen km weiter in einer mit Baumstümpfen gespickten Abfahrt , landen seine Hunde samt Pulka abseits vom Trail.

Storbäcken Check-Point 1, erreichen wir nach 46km um 13.03 Uhr, Schröck und Kampenes folgen ca.20 min später. Jetzt wird es lebendig im Checkpoint, Inge Eklund u. Lennart Andersson drängeln sich mit ihren großen 3-er bzw. 4-er Teams durch den schmalen Trail im CP. Die Kontrahenten beäugen sich, wer verfolgt welche Taktik? Mir ist es egal wer durchfährt oder zum Füttern anhält. Auf meine letztjährige Erfahrung vertrauend, gönne ich den Hunden 1 Stunde Ruhe anschließend wässere und füttere ich sie soviel sie aufnehmen. Ich selbst tanke 2Liter Isodrink und befülle die Thermobehälter, 1Liter für mich, 1,5 Liter für die Hunde gehen mit auf die Strecke. Mehr Zusatzgewicht will ich ihnen nicht zumuten, die Pulka ist schwer genug auch wenn die Ausrüstung mit äußerster Sorgfalt zusammengestellt wurde. Meine Gewohnheit pro Stunde einen Müsliriegel zu essen behalte ich auch bei Rennpausen bei. Sebastian und Marie sind auch in Storbäcken um sich nach unserem Wohlbefinden zu erkundigen. Alles planmäßig, mein kurzes Resümee beim nachwachsen meiner Skier. Für solche Fälle leisten Wachstücher gute Dienste und schützen Beläge vor Oxidation.

Um 13.57 Uhr verlassen wir mit dem gewohnten freudigen Malamutengeheule CP1. Freddy Kampenes der Norweger hat das Rennen mit seinen beiden starken Malamuten 25min vor mir fortgesetzt. Eklund ist ebenfalls schon unterwegs. Schröck parkt noch unmittelbar nach dem CP ist aber auch im Begriff das Rennen fortzusetzen. Inzwischen blinzelt immer wieder die Sonne durch die kurzen Kiefern, Temperaturen um die 0° erweichen den Trail, der bei km 56 in einer Schleife eigens durch ein Sumpfgebiet angelegt wurde und in der Kürze der Zeit sich nicht ausreichend verfestigen bzw. durchfrieren konnte. Immer wieder brechen die Hunde ein, ja sogar für die Skier ist die Tragfähigkeit zu gering. Schrittgeschwindigkeit!! In diesen kniffeligen Passagen. Es bleibt keine Wahl, Hunde bremsen um keine Verletzung zu riskieren. Endlich, nach 10 nicht endenden Kilometern biegt der Trail auf einen festen Forstweg ein, es beginnt zu Dämmern und endlich kann ich der schwedischen Natur wieder ein Auge widmen. Rennkilometer 65: Eklund rastet mit seinen 4 Malamuten in einer Ausweichbucht, good luck die kurze Ansprache. 3km später entdecke ich Freddy am Ende einer langen Geraden, auch er pausiert kurze Zeit später. Ich rätsele noch lange ob meine Gegner bereits das Etappenbiwak einlegen oder nur abwarten und hinterher fahren um unseren Haltepunkt auszuloten. Egal wie es kommen mag, wir sind vorne und diktieren von nun an das Geschehen. Trotz der schlechten Trailpassage stimmt unsere Position mit den Vorausberechnungen Sebastians überein. Jedoch weilte die Freude nur kurz ab Rennkm 86 hatte ein Allrad Fanatiker knietiefe Radspuren in den Forstweg gepflügt. 20km weit und zu allem Ärger auch in beide Richtungen. Zum Glück müssen auch alle anderen durch diesen Hindernisparcour. Ein Ski im Graben, der andere oben, Umsteigetechnik, die schwere Pulka balanciert auf einem schmalen Mittelgrat. Großartig wie Anouk auf kleinste Richtungskommandos reagiert, unbeschadet, wenn auch lauthals auf den Verursacher fluchend, meistern wir ohne Umkipper diese Hindernisbahn. Bei Rkm 90 passiere ich meinen Biwakplatz des Vorjahres. Unser speziell fürs Polar Distans hergestellter Schlittensack ist eine wahre Erleichterung, jeder Handgriff fördert den gewünschten Gegenstand aus der dafür vorgesehenen Tasche hervor, ohne Stop und zeitraubendes Suchen. Die Hunde laufen wie ein Uhrwerk, gedankenverloren fließen die Kilometer dahin bis plötzlich die ersten Lichter von Kringelfjorden in der Ferne erkennbar sind. Was tun? die berechtigte Frage! Biwaken?? Laut GPS sind es noch knapp 30km bis zum CP2 Off Road, das wären dann 126 Tageskilometer. Ich beschließe durchzufahren und informiere meine Helfer, Sebastian ist überrascht und besorgt zugleich. Diese lange Startetappe birgt ein hohes Risiko, ich vertraue auf das Leistungspotential meiner Mädels die keinerlei Ermüdung zeigen. Nach der Straßenbrücke Kringelfjorden rasten wir ein weiteres Mal für 45min. Die Intervalle in denen die Hunde Schnee fressen haben sich drastisch verkürzt, wässern, bzw. Schnee fressen ist angesagt. Ich nutze die Zeit zum tanken, einer ausgiebigen "Brotzeit" und plane gedanklich bereits das Biwak in Off Road. Kurz vor 23.00 Uhr überqueren wir den Särna See und den Startbereich, meine Befürchtung die Hunde versuchen zum nahen Wohnmobil zu laufen, trifft nicht zu. Anouk folgt jedem Kommando ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Sie bestimmt das Tempo, teilt die Kraft ein, weiß genau was noch auf das Team zukommt.

23.00 Uhr CP2 Off Road, mit heftigem Schwanzwedeln begrüßen Anouk+ Akana die übers ganze Gesicht strahlende Tierärztin, sie ist erst 5min vor uns eingetroffen, eigentlich wollte die Rennleitung Off Road erst Mittwoch Früh besetzen. Um 23.15 fährt Freddy in den CP, mit solch hartnäckiger Verfolgung hatte ich nicht gerechnet. Laut Reglement müssen alle Teilnehmer hier eine 6-stündige Pflichtpause einlegen, alle Hunde werden einem Veterinärcheck unterzogen. Die Nacht ist sternklar mit ein paar verlorenen Wolken am Himmel, mein Schlittenthermometer zeigt Minus 5°. Meine Langlaufkleidung samt Schuhen belasse ich am Körper, Fleecejacke und Thermohose genügen. Anouk+ Akana schlummern bereits in ihre gelben Blankets eingeringelt während ich ihr Futter und mein Globetrotter Lunch zubereite. Der Duft weckt die beiden und lockt sie zu mir, erst jetzt nach etwa einer Stunde Ruhe fressen sie ihre Rationen. Isodrinks und Futter zum morgendlichen Wässern bereite ich ebenfalls noch vor. Als dann noch Ski und Pulkakufen gewachst sind krieche ich um 01.00 Uhr in den Schlafsack. Die Ruhe währt nur kurz, um 02.30 Uhr haben Jon Simensen (norwegischer Vasa-Läufer!!) und R. Schröck mit ihren Husky Teams zur Malamuten Fraktion Freddies und mir aufgeschlossen. Jedes Geräusch ist Lärm für meine Sinnesorgane, an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Als die beiden ihre Biwakarbeiten erledigt haben ist es an mir mit den Startvorbereitungen zu beginnen, denn unmittelbar nach Ablauf der Pflichtpause hatten wir den Aufstieg ins Fjäll (die schwierigere Runde zuerst!) geplant. Etwa 70km ist diese Bergetappe und endet im CP3 Löfhögen einem kleinen verlassenen Holzhausweiler in den schwedischen Bergen, ohne Verbindung zur Außenwelt.

10.03.2004 06.40 Uhr, es ist mondhell als ich A+A, die vor Tatendrang laut jaulen, vor die Pulka spanne. Bremse auf und mit dem knirschen des Harsches entschwinden wir in den nahenden Morgen. Ein flüchtiger Seitenblick zur Konkurrenz die keine Anstalten macht uns zu folgen.

Simensen nahm das Rennen mit seinen beiden Vargevass Hündinnen um 10.00 Uhr auf , wählte jedoch die von der Rennleitung zugelassene 2. Schleife. Eine 80km lange Flachetappe in östlicher Richtung nach Höktanden.

Eklund und Andersson erreichten CP 2 erst am späten Vormittag des 10.März, nachdem sie die Nacht auf freiem Trail verbrachten.

Halvorsen, Skaug, Kampenes (alle Norweger) und Schröck gaben das Polar Distans in Off Road auf, zu hoch die Belastung der 126km langen Startetappe, ihre Hunde liefen nicht mehr.

Somit hatten wir im Moment keinen direkten Gegner mehr. Rennkilometer 156 bei Dalakojan einer Fischerhütte am Fluß Fjätan gelegen, versuchte ich an einer offenen Wasserstelle zu schöpfen. Die dünne Eisdecke und der enorme Wasserdruck an dieser Stelle waren mir doch zu gefährlich, so daß ich begann Schnee zu schmelzen um unsere Wasservorräte aufzufüllen. Unverständlicher Weise verschmähten meine Mädels die leckere Fleischsuppe. Auch nach 15min hatten sie die Schüsseln nicht angerührt, erst als den Inhalt in den Schnee kippte fraßen sie das Fleisch. Wie erwartet begann ab hier der schweißtreibende Aufstieg ins Fjäll. 16km stetig bergan, die Sennhütte von Morvallen erscheint. Ich stoppe kurz für einen Eintrag ins Hüttenbuch und eine letzte Nachricht, denn hier endet das Telefon Netz. Gierig verschlingen die Hunde die gefrorenen Fleischsnaks, verschmähen aber wiederum gereichtes Wasser. Diese 1,5kg nutzloses Gewicht hatten sie umsonst nach oben geschleppt. Von hier ab öffnet sich die weiße Schneewüste des Fjälls ohne Vegetation, erneut mit steilen Anstiegen. Faszinierend die Schönheit, brutal die Gefahren der Witterungseinflüsse denen man schutzlos ausgesetzt ist. Dem kommenden Streckenabschnitt zolle ich jedesmal höchsten Respekt und bin heilfroh wenn wir gut durchgekommen sind. Später gleiten wir auf langen Ebenen mal auf, dann wieder hinab. Schon lange bevor wir um 15.30 CP3 Löfhögen erreichen liegt der Geruch des Kaminfeuers in unseren Nasen, leider ist es verboten die heimelichen, schwedenrot gestrichenen, Hütten zu betreten. Freundliches Hallo schallt uns entgegen, wir wurden bereits erwartet, erstaunlich wie genau die CP-Crew unser Rennen berechnete. 9 Stunden Pause gönne ich uns hier oben in absoluter Stille. 4 Stunden bleiben für mich, dahindösend im Schlafsack, nachdem ich die Hunde 2x massiert, gefüttert und tausend andere Handgriffe erledigt hatte. Innere Anspannung und Rennfieber lassen mich nicht ruhen, zudem verschlechtert sich das Wetter. Am meisten Zeit nahm das trocknen meiner Skatingstiefel über dem Benzinkocher in Anspruch, hier leistete das letztjährige Lagerfeuer bessere Dienste. Kurz vor Mitternacht wurden die Hunde geweckt, gefüttert und mobilisiert. Es herrschte leichter Schneefall und Nebel mit Sichtweiten unter 30m, äußerst schlechte Bedingungen für eine Weiterfahrt im Gebirge. Sebi hatte das GPS metergenau programmiert , darauf vertrauend folgte am 11.März um 00.20 Uhr der Start in die Nacht. Kein anderes Team hatte zwischenzeitlich Löfhögen erreicht. 115 km bis nach Särna ins Ziel. Der jetzt folgende 4km lange Anstieg auf den höchsten Punkt des Rennens gelingt unerwartet schnell, ausgezeichnet die Motivation meiner Malamuten während der Nacht. Auf der Kammhöhe angelangt ist vom Trail nichts mehr zu erkennen, aufliegende Wolken, 15m Sichtweite. Samen hatten ihre Rentierherden durchgetrieben und den Trail zur Unkenntlichkeit zertrampelt. Warten auf Wetterbesserung oder umkehren nach Löfhögen kam nicht in Frage. Meine Befürchtungen sind eingetroffen, das Fjäll hat uns gepackt. Pulka ankern, "Platz und Bleib", die Mädels lagen. Ich zog mit den Skiern große Schleifen um den Trail wieder zu finden, was nach kurzer Zeit auch gelang. Leider waren jetzt Hunde samt Pulka in der Waschküche verschollen, ich hatte mich zu weit entfernt. Nach mehrfachen rufen und pfeifen vernahm ich leises Winseln aus vermuteter Richtung. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich dem GPS und meinen sich im Schnee nur schwach abgezeichneten Skispuren folgend, den Trail wieder fand. Urplötzlich tauchten wir unten aus den Wolken, Dalarna breitete sich vor uns aus, unten im Tal die Lichter Särnas. Der Trail verließ rechts knickend die Hochebene hinab ins Tal, an dieser Stelle verlor 2 Tage später H.J.Ebert die Orientierung was ihm eine 80km lange, kraftraubende, Zusatzschleife kostete und letztendlich seine Aufgabe begründete. Das Polar Distans verzeiht keinen Fehler!

Bei uns Hochstimmung, wir sind aus dem Fjäll noch 25km bis CP4 der abermals Off Road heißt. Leicht bergab fallen A+A ständig in Galopp, die schwere Pulka tut ein übriges, so daß ich permanent am bremsen bin. Nur nicht zu schnell, keine Verletzung riskieren, schießt es mir durch den Kopf. Immer wieder kracht die Pulka in die Skidoo-Wellen und staucht Akana samt Gestänge nach unten. Die Temperaturen fallen, je näher wir dem Särna See kommen schnell auf Minus 15°. Wir sind mit dickem Reif überzogen. Während der Fahrt wechsle ich zähneklappernd Handschuhe, Mütze und Oberbekleidung.

03.45 Uhr CP4, Off Road, Sebi und Marie erwarten mich schon, groß die Freude der Hunde.

Blankets übergestreift, schon schlafen sie. Ich schlottere am ganzen Körper, es ist sehr feucht, deshalb fühlt man die Kälte intensiver. Die Tierärztin kontrolliert die Hunde, sie lassen die Prozedur im Halbschlaf über sich ergehen. Ich frühstücke kurz, tanke Isodrinks und stretche die kalte Muskulatur. Niemand weiß wo Simensen im Moment fährt, ich will keine unnötige Zeit verlieren und verlasse um 05.25 Uhr Off Road, auf die vermeintliche 80km Flachetappe Richtung Höktanden zum Ziel. Noch während der Dunkelheit passiere ich eine mir bekannte offene Wasserstelle, nur mit Mühe kann ich verhindern das A+A die Pulka in den schnell fließenden Bach zerren. Zurück und sicher ankern! Die Schüsseln liegen griffbereit im Schlittensack, 3Minuten wässern und weiter. Wenig später überqueren wir eine Behelfsbrücke in einem Sumpfgebiet die aus Paletten und einigen Brettern gezimmert ist. Die gefrorenen Bretter knarren fürchterlich. Unvermittelt bleibt Anouk stehen die Restgeschwindigkeit stülpt ihr das Geschirr über. Bis dato gab es kein Hindernis das meine Leaderin nicht gemeistert hatte, auch solche Brücken waren nie ein Problem. Akana zog die Pulka langsam zum anderen Ufer, vor ihr baumelte Anouks Geschirr im Zuggestänge. Da saß sie nun, allein am anderen Ufer. Wenn ich mit den Skiern auf die Brücke fuhr, wich sie ängstlich zurück. Das Akana inzwischen ihr Rennen selbständig weiter fuhr, bemerkte ich erst am beherzten Sprung meiner Leithündin die mich links liegen ließ und flott zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehrte. Verrückte Hunde!!! Wie stolz bin ich auf die beiden. Endloser Trail, wir passieren schlafende Fischerhütten an zugefrorenen Seen. Ein Zeitlupenrennen, die Kilometer auf dem GPS wollen nicht weniger werden. Ein Schatten beendet meine Lethargie, Mr. Grönas himself fährt auf, Handschlag, good luck im Sonnenaufgang, bleierner, blauer, frostkalter Himmel. Auf 25km besteht der Trail nur aus hartgefrorenen Hufabdrücken der Rentiere. Kein Grip bzw. Abruck für die Kanten meiner Skater, die Fußgelenke sind von diesem Gepolter wie ausgeleiert. Um die Mittagszeit brennt die Sonne unbarmherzig vom Himmel, wir leiden gemeinsam unter der Wärme. Alle paar Schritte versuchen die Hunde Schnee und Eisbrocken aufzunehmen, der Laufrhythmus ist dahin, Pause!! Hunde ausspannen, um die Pulka herum trete ich den Harsch ein von dem sie die eisigen Brocken bevorzugen. Akana schläft wie bewußtlos, sogar beim einspannen fallen ihr noch die Augen zu. Ich snacke das letzte Fleisch, fast 1kg auf einmal, es muß bis ins Ziel reichen. Nur noch knapp 30km von ursprünglich 115 heute Morgen, es werden die längsten meines Lebens. Wo werden die anderen Pulka Musher sein? Sind wir noch in Führung?

Um 15.45 Uhr im CP5 beantwortet mir die Tierärztin diese Frage: "oh yes you are!". Inge und Lennart winken von ihrem Rastplatz herüber, wir wechseln ein paar Worte, ich wünsche ihnen Glück auf ihrer abschließenden Höktand Runde. Langsam realisiere ich welch großen Vorsprung wir uns erarbeitet haben. Die CP-Crew warnt mich vor der schneefreien Straßenüberquerung nach etwa 1km. Kein Problem, dann gehen wir einfach zu Fuß. An besagter Stelle angekommen fliegt Schnee in hohem Bogen, die Tierärztin schaufelt wie eine Schneefräse, bereitet uns den Weg ins Ziel. Die letzte steile Abfahrt hinunter auf den Särna See, Topspeed, unter meinem vollen Körpergewicht rast die Krallenbremse über das Eis. Geschafft, ich versuche die letzten 3 Kilometer zu genießen, denn dann ist auch das PD 04 Geschichte. Die Malamützen legen sich noch einmal voll ins Geschirr, wissen das es nach Hause geht! Von weitem sehe ich sie schon mit den Armen winken, Sebastian, Marie, Barbara, Frank, Jörg, Rainer und Anki unsere allgegenwärtige Tierärztin ist auch schon wieder herbeigerast.

Am Donnerstag den 11.März um 16.15 Uhr durchfahren wir, den mit schwedischen Fähnchen geschmückten Triumpfbogen des Polar Distans Race in Särna. Als erstes 2-er Team das jemals bereits am Donnerstag finishte, die Pulka Gesamtwertung errang und dabei mit 49:15 Std. für 311km unter 50 Stunden Laufzeit blieb.

Großartig, diese verrückten Hunde!!

Abschließend noch die Resultate der anderen Deutschen Teilnehmer:

H.W. Schwegel siegte in der 6-Hunde Klasse (mit 4 top vorbereiteten Leihrüden von Johannes Nick, der unter dem Namen JONIKSTAR als Schlittenhersteller bekannt ist)

Ingo Stollenwerk belegte Platz 3 in Open.

Raphael Schröck, Hendrik Stachnau, H.J. Ebert, Frank Gemeinhardt und Rainer Galm zollten dem Mythos Polar Distans Tribut und konnten das Rennen aus verschiedenen Gründen nicht beenden.


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