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Rennbericht Polar Distans vom 11.03.-15.03.03 Särna Schweden

 

 

Polardistans, " Das Rennen" schlechthin in Europa, sagenumwoben, die große Herausforderung für jeden Schlittenhundesportler.

Ein Jahr Vorbereitung und Planung steckte in diesem Event, das ganze Team, die Familie hatte hart daran gearbeitet.

11.März 2003 Särna/Schweden

Die letzten Stunden vor dem Massenstart waren unerträglich, an Anspannung kaum zu überbieten. Wiederholt kontrollierte ich mit Sebastian die Ausrüstung, besprechen Details rund ums Biwak, Renntaktik, letzte Anweisungen für´s GPS. Die Hunde sind voll auf Touren, längst haben sie die Startvorbereitungen bemerkt, auch sie befällt der Mythos Polar Distans.

10 Skandinavierteams sind 2003 am Start, 5 Starter der kleinen Kategorie d.h. 1-2 Hunde, 5 Starter mit 3-4 Hunden, von solchen Starterfeldern kann man in Europa nur träumen.

09.00 Uhr, blauer Himmel, 5° Minus, infernalisches Hundegeheul , die Startflagge fällt, schlagartig weicht die Nervosität, Anouk und Akana preschen mit ihrer Pulkalast von 55 kg davon. 2-mal kippt der Schlitten in Eisrillen, schrammt den See entlang, problemlos ziehe ich ihn an der Bodyleine wieder auf die Kufen. Die Teams rasen davon wie bei einem Sprintrennen, ich bin überrascht und reihe mich hinter den großen Teams in den Verkehr. Als Rookie nicht zu schnell beginnen, Kräfte einteilen, klingt es in meinen Ohren, alle haben mich gewarnt, ankommen ist das große Ziel. Ich lasse die großen etwas Abstand gewinnen, beim ersten Überholversuch sahen wir bereits die Zähne eines schwedischen 4-er Malamutenzuges, Grund genug kein unnötiges Risiko einzugehen. Richtig gedacht, schon nach kurzer Zeit ist der Startelan verpufft, an Steigungen stauen sich die Gespanne. Immer wieder müssen Rupert Hirschberg mit seinen 3 Siberiern und ich hinten anstehen. Wir entschließen uns zum Überholen. Im leichten Gefälle, beim Versuch Annika Carlsson (3AM´s)zu passieren, brechen Rupert´s Hunde neben dem Skidootrail in den Tiefschnee. Eine Sekunde zu spät ist Rupert an der Bremse, die schwere Pulka läuft auf die Hunde auf, haushoch biegt sich der Zugbogen und bricht mit lautem Krachen. Der Alptraum nach erst 15km!! Rupert denkt laut an´s Aufgeben, ich beruhige Ihn, gemeinsam bergen wir seine Hunde und beginnen unmittelbar mit der Reparatur, die notdürftig mit einem Skistock gut gelingt. Nach ca. 30 min setzen wir das Rennen fort, nach Stunden überhole ich das inzwischen enteilte gesamte Pulkafeld. In einem Overflow stockt noch kurz der Atem, ein beherzter Sprung mit den Skiern auf die Pulkakufen rettet die Situation, die Skistiefel bleiben trocken.

Mörkret Checkpoint 1 erreiche ich nach 56 km gegen 14.00 Uhr kurz vor Inge Eklund mit seinen 4 Malamuten. Meine Hunde zeigen keinerlei Ermüdung, wässern, fressen ausgezeichnet. Nach 2,5 Std. Pause verlasse ich Mörkret Richtung Kringelfjorden, wo ich mein Nachtlager aufschlagen will. Ein herrlicher Sonnenuntergang geleitet mich allein vor den Verfolgern in die Abenddämmerung. Bei km 86 kurz vor 20.00 Uhr biwakiere ich an einem See. Schnee schmelzen, Hunde füttern, Retorten Abendessen , tausend Handgriffe, die Zeit vergeht im Fluge. Endlich gegen 23.00 Uhr krieche ich in den Schlafsack. Unzählige Sterne am Firmament, Stille, Einsamkeit, 10° Minus,das ist also Polar Distans, herrlich!! Kurz eingeschlafen braust Wind auf. Im Augenwinkel sehe ich 2 meiner Packsäcke davonfliegen. Die Bergungsaktion dauert über eine Stunde bis ich mich im brusthohen Schnee zu den Säcken im Wald vorgekämpft habe. Seit diesem Malheur wurde alles Gerät mit Karabinern gesichert. Der Nachthimmel wurde wieder klar, Sturmböen und Schneefall hatten aufgehört, an Schlaf war nicht mehr zu denken. In der Morgendämmerung fahre ich ,nach einem Frühstück bestehend aus gefrorenen Nudeln, Müsliriegeln und Mineraldrinks und der Gewißheit das mich niemand überholt hat, weiter. Meine Mädels laufen präzise ihre Durchschnittsgeschwindigkeit , der harschige Trail hat keine Spuren an den Pfoten hinterlassen. Am Steilaufstieg zur Staßenbrücke bei Kringelfjorden verspüre ich plötzlich einen kurzen stechenden Schmerz im linken Unterarm, dem ich anfangs wenig Aufmerksamkeit schenkte. Nach den ersten Begegnungen mit der schwedischen Tierwelt, Auerhähne, Schneehühner, Rentiere, erreichen wir ohne weitere Probleme Offroad CP 2 um 10.45 Uhr nach 136km. Essen ,trinken, Hunde füttern, Ski und Pulka wachsen. Hier in Offroad ist der Pflicht Veterinärcheck für alle Hunde. Gewissenhaft überprüft die Tierärztin die Tiere, Anouk und Akana sind topfit. Rupert trifft 1,5 Std nach mir ein , er konnte am Abend sein gebrochenes Gestänge weiter stabilisieren. Wir beschließen nach der Pause noch bis Dalakojan, einem Fischercamp am gleichnamigen Fluß, weiterzufahren und nach dem 2.Biwak während der frühen Morgenstunden den Aufstieg ins Fjäll zu wagen. 10km vor Dalakojan geht ein Ruck durchs Team, erst Minuten später entdecke ich die beiden Elche schräg parallel vor uns durch das Unterholz laufen. Unmittelbar danach lade ich einen abgebissenen Renunterschenkel auf meinen Packsack, ganz wohl ist mir nicht mehr in meiner Haut. In Dalakojan, bei Rennkilometer 164, angekommen, ist es endlich windstill. Den ganzen Tag herrschte ein eisiger Wind der die 5 Minusgrade im Chilleffekt erheblich kälter erscheinen ließ. Ich entzünde ein wohliges Lagerfeuer an dem Rupert und ich später unsere durchschwitzten Langlaufklamotten nebst Schuhen trocknen. Die Schwellung meines Armes kühle ich immer wieder mit Schneepackungen.

Plötzlich um 00.15 Uhr , der Lichtschein einer Stirnlampe, laute Kommandos rauben mir den Schlaf. Inge Eklund hat uns passiert. Rennfieber packt mich, an Schlaf ist nicht mehr zu denken . Kurz vor 02.00 Uhr am 13.März beginnen wir den erwartet schweren Aufstieg ins Fjäll auf über 1000 Meter. Rupert hat Probleme mit seiner Stirnlampe und kann meinem Tempo nur bedingt folgen. Nach etwa 5 km passieren wir Inges Zelt, seine Hunde schlafen tief und fest. Längst sind Bäume und Sträucher der Schneewüste im Fjäll gewichen, immer wieder der prüfende Blick auf´s GPS, nur die Orientierung nicht verlieren! Sternbilder der Himmelskuppel weisen zusätzlich den Weg, auf dem ich kurz vor 04.00 Uhr morgens von Carsten Grönas überholt wurde. Ein kurzes "hello" das Reif überzogene 12er Gespann zieht langsam vorbei, so sieht das also aus, ein Traum wie Iditarod oder Yukon Quest im Dämmerlicht der Stirnlampen. Erst jetzt gelingt es mir meine eigene Geschwindigkeit abzuschätzen, das offene Team vor mir weist den Weg. Kurze Zeit später sollen wir uns erneut treffen, Carsten ist der Meinung wir sind am CP 3 vorbeigefahren, mein GPS und die Karte kippen seine Theorie.

Um 05.47 nach 199 km erreiche ich CP 3 Löfhögen, Rupert folgt 15 min später. Hier muß ich bei herrlichem Winterwetter meinen 6 Stunden Pflichtstop nehmen. Meine Mädels genießen die Pause und räkeln sich in der Sonne. Kurz vor meiner Abfahrt erreicht auch Inge Eklund Löfhögen. Die senkrecht einfallende Mittagssonne läßt die Temperatur an der zu erklimmenden 4km langen Steigung auf 15° steigen. Unendliche Strapazen für die Hunde, längst habe ich den Gürtel gedreht und gemeinsam schleppen wir die Pulka zügig bergan.

Die anschließende leichte Abfahrt Richtung CP4 und die gigantische Fernsicht über die Täler Dalarnas entschädigen jedoch weitgehend. Immer wieder stopfe ich an diesem Tag Schnee in meinen linken Jackenärmel. Das erreichen der Baumgrenze spendet endlich Schatten für die Hunde. Unvermittelt entdecke ich durch die tiefstehende Sonne geblendet, linkerhand eine blaue Trailbeschilderung. Meiner Meinung auf dem richtigen Trail, folgte ich dem Trail weitere 25km bevor mich mein Handy in die grausame Realität zurückrief. Ich hatte CP4 ausgelassen und war bereits nach CP5 unterwegs. Der Weg führte jedoch nur über CP4, sonst drohte Disqualifikation. Man hatte meine Überfälligkeit sorgenvoll am Fjätan bemerkt und ein Skidooteam suchte nach mir. Wieder und wieder versuchte ich meinen Navigationsfehler aus den im Maßstab unterschiedlichen Karten herauszulesen. Es half nichts, ich drehte die Pulka um zur richtigen Kreuzung nach CP4 zurückzufinden. Bei einbrechender Nacht kein leichtes Unterfangen. Erneut traf ich auf Carsten Grönas, nur diesmal im Gegenverkehr, was Ihn sehr erstaunte. Völlig dehydriert traf ich um Mitternacht, nach einer 50km Zusatzschleife, auf die Suchmannschaft mit den Skidoos. Jetzt wurde mir klar das ich in dieser Nacht CP4 am Fjätan Fluß nicht mehr erreichen konnte. Nach 130 Tageskilometern, am Ende meiner Physis mußte ich notgedrungen, mitten auf dem hier schmalen Trail, biwakieren. Unter Aufbietung meiner letzten Kräfte gelang es mich selbst und meine bis hierher sensationell gelaufenen Mädels zu versorgen. Nach kurzem, todesähnlichen Schlaf , mein Schlafsack lag mitten auf dem Trail, wurde ich um 05.30 Uhr von den Hundenasen der Huskies von Hans-Werner Schwegel zurück in die Realität geleckt. Um 09.15 Uhr hatten wir die restlichen 20 km zum CP4 am Fjätan Fluß nach nunmehr 300 Rennkilometern zurückgelegt. Hier trafen wir auf Lennart Andersson mit seinen 3 Grönis der uns zwischenzeitlich überholt hatte. Rupert und Inge hatten den Kontrollpunkt noch während der Nacht verlassen und waren uneinholbar enteilt. Die Tierärztin hatte fürsorglich meine Hündinnen kontrolliert und riet mir zum Abbruch des Rennens, Unterarm und Hand waren inzwischen dick geschwollen. So kurz vor dem Ziel aufgeben ? solange meine Mädels weiterliefen wollte ich es ihnen gleichtun. Die Unterstützung meiner Familie gewiß, spürte ich förmlich die gerückten Daumen, das Hoffen. Inzwischen war auch Freddy Kampenes der Norweger mit seinem bärenstarken Malamuterüden im Checkpoint eingetroffen, er lag direkt hinter mir platziert. 70 km bis ins Ziel nach Särna, mit dem direkten Vergleich der Konkurrenten, ein spannendes Finale. Nach 10km überholte ich Lennart, dessen Hunde etwas abbauten. Nach weiteren 35km bei frühlingshaftem Sonnenschein und Plusgraden konnte mich Freddy auch nach einer Wässerpause nicht einholen. Das Ziel rückte immer näher wir konnten es erreichen. Ein letzter Höllenritt über die Kamelhöcker einer Stromleitungslichtung kostete zwar letzte Energiereserven, doch der Adrenalinspiegel stieg unaufhörlich. Nach CP5, einer Durchfahrtskontrolle, fuhren wir in einer rasenden Abfahrt bei Östomsjön auf den Särnasee, noch 10km! Nur gepreßt kam das "go-home" über meine Lippen, die Mädels verstanden es sofort. Das Stakkato der 8 Malamutpfoten wurde immer schneller je näher wir Särna kamen, von etwaiger Müdigkeit keine Spur.

Am 14.03.2003 um 18.04 Uhr überquerten wir nach 75 Std. 4 Min., 370 unbeschreiblichen Kilometern , im Sturm von Glücksgefühlen, voller Stolz über die Leistung meiner treuen Hunde, die Ziellinie in Särna und wurden überglücklich von der Familie und Freunden in die Arme geschlossen.

Insgesamt waren 2003 6 Deutsche Teams am Start , bis auf Uwe Frühauf mit seinen 10 Grönis konnten alle das Rennen beenden.

1.Platz Pulka 3-4 Hunde Rupert Hirschberg, 3.Platz 6-Hunde Hendrik Stachnau, 2.Platz Open

Elke Schiller, 7.Platz Open Hans Werner Schwegel.

Für die kommende Saison dürfen wir unseren Sponsor AFFINITY PETCARE vorstellen und hoffen mit den Produkten von ADVANCE die Leistung unserer Hunde noch zu steigern.


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